Es war im Herbst 2003, Sprachaufenthalt in Toronto, als ich beiläufig im Radio hörte, dass The Boss in Toronto ein Konzert geben wird. Ich dachte, dass sei dann irgendwann, ich schon lange wieder in der Schweiz. Ein paar Tage später, abends, fragte mich meine Gastmutter, ob ich wisse, wer heute in Toronto auftrete…The Boss. Bis vor 2 Tagen hat mich das immer wieder genervt, dass ich mich damals nicht im Internet über seine Tourneedaten schlau gemacht habe.
Doch seit dem 31. Juli 2016 ist dieses Kapitel abgeschlossen, ich durfte Bruce Springsteen, inzwischen 66 Jahre alt, im Letzigrund, Zürich live erleben – zum Abschluss seiner Europa-Tournee – „The River Tour“.
Ich war überwältigt. Springsteen ist ein richtiger Arbeiter auf der Bühne, man merkt ihm das Alter nur selten an. Er ist witzig, publikumsnah, keine Spur von Arroganz, er muss sich nicht feiern lassen und er muss keine Reden halten, seine Songs sind politisch und gesellschaftskritisch genug und sprechen für sich. „A one – a two – a three, a one two three“ und schon folgt der nächste Song. Das Konzert beginnt auch gleich ohne Umschweife, kein Intro, keine Show, Springsteen und die E Street Band betreten die Bühne rocken gleich los.
Rund 3.5 Stunden lang rockt The Boss den Letzigrund, mit einer tollen Zugabe zum Schluss. Er braucht keine Special-Effects, keine leicht bekleideten Tänzerinnen, kein rumgehopse, keine Show, das alles braucht es nicht, weil er und seine Band eben hervorragende Musiker sind, die den Rock’n’Roll leben und man hat keine Sekunde lang das Gefühl, er „müsse“ dieses Konzert jetzt halt noch geben, wie ich es bei vielen amerikanischen Musikern wie Snoop Dogg, Missy Elliott oder Cypress Hill mehrmals erlebt habe. Er muss sich auch nicht nach jedem Song feiern lassen, ist ein Lied fertig, folgt meist nahtlos schon das nächste. Einige Lieder werden auch sehr lange gespielt – ein einzigartiges Live-Erlebnis!
Er sammelte Plakate mit Liederwünschen ein und spielte diese, er holte das Publikum auf die Bühne und er war generell stets nahe beim Publikum, er hatte keine Berührungsängste und weit und breit keine Bodyguards zu sehen. Dies hat mich fast am meisten beeindruckt, ich denke, deshalb nimmt an ihm – dem inzwischen wohl schwerreichen Musiker – seine Arbeitermentalität immer noch ab.
Wahnsinn auch, als ein kleiner Junge auf die Bühne durfte (nachdem er rund zwei Minuten zuvor schon zu früh auf die Bühne kraxeln wollte), mit Springsteen ein paar Takte sang und sich dann sogar noch die Schlagzeugschläger vom Schlagzeuger erbettelte. Oder die Frau, welche auf dem Piano tanzen wollte, sie trage auch „soft Sneakers“ stand auf ihrem Kartonplakat, damit das Piano keine Schäden davon trage. Kein Problem, ab aufs Piano und tanzen. Eine andere holte sich ein Küsschen beim Gitarristen ab. Das ist grosses Kino.
Er spielte sehr viele alte Lieder, einige habe ich gar nicht gekannt. Anders als an Konzerten in den USA wo er scheinbar das gesamte „The River“ Doppelalbum aus dem Jahr 1980 spielte, jedoch auch „neuere“ Stücke, aber wenn ich mich richtig erinnere, keines von den aktuelleren Alben.
Diese über drei Stunden Rock’n’Roll lassen sich kaum beschreiben, man muss sie erlebt haben. Ich werde dieses Konzert auf jeden Fall für immer in Erinnerung behalten, als etwas Einzigartiges und Grossartiges.